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ARTIKEL

Warum Heinrich der Löwe Bardowick niederbrannte

Winsen-Zeitreise-Mittelalter

Chantal Philipp

Autor

Zwischen dem 9 – 12. Jahrhundert war Bardowick ein wichtiger Handelsplatz, zeitweise ein größeres Zentrum als die Salzstadt Lüneburg. Doch Ende des 12. Jahrhunderts änderte sich alles, als Heinrich der Löwe Bardowick niederbrannte...

Bardowick ist eine der ältesten Orte in Niedersachsen und wird erstmals im 8./9. Jahrhundert urkundlich erwähnt. Durch die verkehrsgünstige Lage an der damaligen »Slawengrenze« mussten mehr oder weniger alle Kaufleute und Fernhändler durch den Ort. Dazu kommt noch die günstige Wasserverbindung an Elbe und Ilmenau – damals war die Elbe erst ab Bardowick schiffbar und so kam das wertvolle Lüneburger Salz immer erst nach Bardowick, wurde dort umgeschlagen, verzollt und von dort über die Elbe ins offene Meer verschifft.

So kam es dass sich immer mehr Kaufleute, Oberschicht und Adel dort ansiedelten. Flächenmäßig war Bardowick damals größer als die historische Innenstadt Lüneburgs es heute ist. Auch politisch und wirtschaftlich wurde Bardowick immer bedeutender und beispielsweise als Grenzort der Kirche gegen die »heidnischen Slawen« ausgebaut.

Die Bardowicker Gesäßhuldigung auf dem Löwendenkmal – Detailansicht (Elmer Zenner, CC BY-SA 4.0 www.creativecommons.org, via Wikimedia Commons

Der Legende nach ist ein Ochse vor den Augen Heinrichs Soldaten durch die Ilmenau gewatet, und hat dem Heer dadurch den perfekten Ort zur Überquerung des Flusses gezeigt.

Nach der Eroberung Bardowicks wurde der Ort, bis auf Kirchen und Kapellen, vollständig zerstört.

Zum Abschluss hinterließ Heinrich auf dem örtlichen Dom die Inschrift »Vestigia Leonis« – die Spur des Löwen.

Quellen einiger Bilder auf dem zu diesem Beitrag gehörigen Banner: Elbkarte: Francis Buck und Marten Bockol, Dorfchronik Oldershausen, Commons Wikimedia.

MEHR INFOS ZUR LERNBAUSTELLE: www.winsen-2030.de

Als jedoch 1142 Heinrich der Löwe Herzog von Sachsen wurde, verlor BArdowick seine Rolle als einer der wichtigsten Handelsplätze der Region.

Der Herzog rang seinen Konkurrenten die Stadt Lübeck ab - ein wichtiger Ort für die Beherrschung des Ostseeraumes. Lübeck wurde 1158 zur Stadt ernannt und übernahm nach und nach viele der politischen und wirtschaftlichen Rollen, die ehemals Bardowick innehatte.

Noch dazu wurde die Ilmenau bis Lüneburg schiffbar, womit Bardowick die Stellung als Umschlagsort des so wertvollen Salzhandels verlor. Viele der Bardowicker Kaufleute zogen daraufhin nach Lüneburg.

Die Taten Heinrich des Löwen hatten weitere negative, sogar dramatische Folgen für Bardowick.

1176 zog der damalige Kaiser, Friedrich I. Barbarossa, in Italien gegen die Lombardei. Heinrich der Löwe allerdings versagte dem Kaiser die Unterstützung, weswegen der Herzog 1180 von Barbarossa geächtet und ins Exil nach England verbannt wurde – seine Güter wurden bis auf die Lüneburg und Braunschweig anderen Adligen zugesprochen. Diese Verbannung hat eine ebenfalls spannende Vorgeschichte, wer mehr darüber erfahren will, kann sich über die »Reichsheerfahrt gegen Heinrich den Löwen« informieren, ein Kriegszug Vetter gegen Vetter, mit welchem Barbarossa die Macht von Heinrich brechen wollte und dies auch tat.

Als Heinrich der Löwe auf dem Weg ins Exil in Bardowick nächtigen wollte, verweigerten ihm die Bürger die Aufnahme – sie waren mehr als verärgert darüber, dass die Politik ihres Herzogs Städte wie Lübeck und das von ihm gegründete Schwerin bevorzugte und ihr eigener Ort daher immer unwichtiger wurde und dadurch an Wohlstand einbüßte.

Der Sage der »Bardowicker Gesäßhuldigung« nach haben die Bürger ihren Unmut sogar extrem deutlich kundgetan: Wie es die Etikette verlangte verneigten sich die Bardowicker vor ihrem Herren bei dessen Durchzug durch die Straßen – allerdings auf den Stadtmauern stehend und das eigene nackte Gesäß ihrem Herzog entgegen haltend.

1189 durfte Heinrich der Löwe nach dreijährigem Exil bei seinem Schwager Richard Löwenherz in die Heimat zurückkehren. Während der Kaiser mit seinem dritten Kreuzzug beschäftigt war, belagerte Heinrich der Löwe Bardowick.

Auch wenn die Zerstörung Bardowicks wie eine Rache an den Bürgern wegen der »Gesäßhuldigung« wirkt, ist davon auszugehen, dass Heinrich eher politische Gründe hatte.

Bardowick war nachdem Heinrich der Löwe ins Exil ging an Herzog Bernhard gegeben worden, ein Rivale von Heinrich und damit eine Person, die dieser sehr gerne gestürzt und entmachtet sehen wollte. Anders als Heinrich ist Bernhard dem Kaiser treu geblieben, hat diesen im Italienzug begleitet und ihm auch später immer loyal gedient.

Außerdem hatten Bernhard und Heinrich eine ganz eigene Vergangenheit. Schon 1173, als ihm die Grafschaft Plötzkau vom Kaiser gegeben wurde, hatte Heinrich ihm diese streitig gemacht und bei einem Kriegszug einige Orte unter der Herrschaft Bernhards verwüstet. Trotzdem konnte sich Bernhard gegen Heinrich in diesen Auseinandersetzungen behaupten und Heinrich blieb erfolglos.

Nachdem Bardowick mehr oder weniger »bis auf die Grundmauern« niedergebrannt war, hat es nie wieder zu alter Größe zurückgefunden und konnte sich wirtschaftlich und politisch nicht gegen Lüneburg und Winsen behaupten.

Nachdem es früher als Stadt anerkannt war, war Bardowick nach dem Wiederaufbau rechtlich ein Dorf und seit dem 15. Jahrhundert wird es »Flecken« genannt.

Bardowick um 1599 (Braun & Hagenberg, Public Domain, via Wikimedia Commons)

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